Die Funktion des Nacken- und Rückenbandes ist weithin unbekannt oder wird unterschätzt. Dabei ist sie von fundamentaler Bedeutung für die Gesundheit des Pferderückens.
Seit Menschengedenken lädt der Rücken der Pferde dazu ein sich darauf zu setzen und zu reiten. Damit dies nicht auf Kosten der Pferdegesundheit geht, sollte jeder Reiter, dem das Wohl seines Pferdes am Herzen liegt, ein reelles Basiswissen der anatomischen und physiologischen Zusammenhänge haben. Nur so kann man die Gesundheit und damit die Bewegungsfreude des Pferdes lange erhalten.
Der Rücken des Pferdes ist eine horizontale Brücke zwischen Vorhand und Hinterhand. Sie wird nur durch die Vorhand und die Hinterhand gestützt. Diese Brücke besteht aus Wirbeln, die durch Gelenke, Knorpelscheiben und starke Bänder miteinander verbunden sind. Je nach Lage im Körper, werden die Wirbel in Gruppen eingeteilt. Das Pferd hat 7 Halswirbel, 18 Brustwirbel, 6 Lendenwirbel, 5 Kreuzwirbel und circa 20 Schweifwirbel. Die Kreuzwirbel sind zu einem Knochen miteinander verwachsen, dem Kreuzbein.
Quelle: Bürger/Zietzmann, Der Reiter formt dasPferd, 2. Aufl. 20 |
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Nur die Hinterhand hat eine knöcherne Verbindung zur Wirbelsäule.
über das Kreuzdarmbeingelenk wird der Schub der Hinterhand auf die Wirbelsäule übertragen.
Zwischen Vorhand und Rumpf ist keine knöcherne Verbindung. Das
Pferd hat im Gegensatz zum Menschen kein Schlüsselbein. Der Rumpf hängt wie eine Hängematte zwischen den Schulterblättern und wird von vielen Muskeln getragen.
Mit jedem Brustwirbel ist jeweils ein Rippenpaar gelenkig
verbunden. Sie bilden den Brustkorb, der die lebenswichtigen Organe schützt und der Brustwirbelsäule Stabilität verleiht. Die 18 Rippenpaare werden in zwei Gruppen unterteilt. 8 Rippenpaare sind
knorpelig-gelenkig mit dem Brustbein verbunden. Sie werden als wahre Rippen oder Tragrippen bezeichnet. Die weiteren 10 Rippenpaare haben keine Verbindung zum Brustbein, sind daher gut beweglich
und werden als falsche Rippen oder Atmungsrippen bezeichnet, da sich der Brustkorb bei der Atmung erweitern können muss.
Alle Wirbel des Rückens haben aufsteigende Dornfortsätze
unterschiedlicher Länge und Richtung. Die Dornfortsätze der vorderen Hälfte neigen sich schweifwärts, die der hinteren Hälfte kopfwärts. Die Neigung dieser Fortsätze nimmt zur Mitte hin ab und
daher steht der mittlere Wirbel fast senkrecht. Die unterschiedliche Länge der Dornfortsätze bildet den Widerrist. In diesem Bereich können sie bei großen Pferden mit ausgeprägtem Widerrist bis
zu 30cm hoch werden. Im Bereich der Lendenwirbel sind die Dornfortsätze nicht mehr so ausgeprägt, stattdessen haben diese Wirbel lange seitliche Fortsätze, die der Verankerung der Muskulatur
dienen. Die Lendenwirbelsäule hat keine Stabilisierung durch den Brustkorb. Sie ist eine freitragende Konstruktion und muss zusätzlich von der Bauchmuskulatur gestützt werden.
Betrachtet man sich die Abbildung des Pferdeskelettes, kann man gut die engen Abstände zwischen den Dornfortsätzen erkennen. Wird jetzt vom Reiter diese Wirbelbrücke belastet, besteht die Gefahr, dass das Pferd den Rücken wegdrückt, sich die Dornfortsätze berühren und das zu schmerzhaften Schäden im Rücken führt.
Die Natur hat dem Pferd eine geniale Konstruktion mitgegeben, da selbst ohne Reiter ein nicht zu unterschätzendes Gewicht an dieser Wirbelbrücke hängt. Der gesamte Bauch des Pferdes mit seinen inneren Organen beträgt etwa die Hälfte desGewichtes und beim Reitpferd kommen dann noch das Gewicht des Reitersund des Sattels dazu. Dieses Gewicht wird ohne jegliche Muskelkraft und daher völlig ermüdungsfrei von einer Bänderkonstruktion getragen.
Quelle: |
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Die Enden aller Dornfortsätze sind durch ein sehniges Band, das Rückenband, miteinander verbunden. Dieses Band, das im Bereich des Widerrists eine Kappe bildet, zieht als starker elastischer Nackenstrang zum Hinterkopf. Dieser Nackenstrang ist die Grundlage des Mähnenkamms. Da die Halswirbel viel tiefer liegen, sind diese wiederum über eine breite elastische Platte, die Nackenplatte, mit dem Nackenband verbunden.
Quelle: Denoix/Pailloux, Physiotherapie und Massage bei Pferden, 2. Aufl. 1997 |
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Bei einem wild lebenden Pferd, das bis zu 18 Stunden am Tag grast und dabei die Nase am Boden hat, spannt sich allein durch diese Körperhaltung das Bändersystem. Dabei werden die langen Dornfortsätze aufgerichtet. Diese Zugrichtung wird durch das sehnige Band, das alle Wirbel miteinander verbindet, auf die weiteren Brust- und Lendenwirbel übertragen und so müssen sich auch diese aufrichten. Der Rücken wölbt sich ohne Muskelkraft auf und behält seine natürliche Form. Unterstützt wird er dabei noch von einer Bänderkonstruktion, die am Bauch des Pferdes vom Brustbein zur Hüfte zieht und überwiegend aus den sehnigen Platten der Bauchmuskulatur besteht.
Die Funktion des Nacken- und des Rückenbandes ist von fundamentaler Bedeutung für das Pferd und natürlich ganz besonders für das Reitpferd.
Quelle: Denoix/Pailloux, Physiotherapie und Massage bei Pferden, 2. Aufl. 1997 |
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Wird das Pferd korrekt vorwärts-abwärts geritten, kommt über das Nackenband Zug auf die vorderen Brustwirbel, die Abstände zwischen den Dornfortsätzen vergrößern sich und es wird eine Beugung der gesamten Brustwirbelsäule bewirkt. Der lange Rückenmuskel wird gedehnt und kann frei schwingen. Das ist wichtig, da nur so der Schub der Hinterhand frei nach vorne übertragen werden kann und das Pferd sich bequem sitzen lässt.
Quelle: Denoix/Pailloux, Physiotherapie und Massage bei Pferden, 2. Aufl. 1997 |
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Macht das Pferd aber den langen Rückenmuskel fest, verkürzt
sich dieser und der Rücken wird nach unten durchgedrückt. Nimmt das Pferd nun noch den Kopf hoch, lässt die Spannung des Nackenbandes nach und die Dornfortsätze nähern sich an. Diese Situation
ist weder für Pferd noch für Reiter wünschenswert, da es langfristig zu erheblichen Rückenschäden führt. Eine Folge dieser dauernden Verspannung sind beispielsweise die sogenannten Kissing
Spines, die entstehen, wenn sich die Dornfortsätze berühren und schlimmstenfalls entzünden. Ein festgehaltener Rücken macht sich auch für den Reiter deutlich bemerkbar, da sich das Pferd unter
diesen Vorraussetzungen nur schwer sitzen lässt. Der Rückenmuskel kann unter Dauerkontraktion nicht schwingen und als Folge dessen keinen Schub von hinten nach vorne durchlassen, was das Pferd
für den Reiter sehr unbequem werden lässt.
Häufig passiert das natürlich bei jungen Pferden, deren Muskulatur noch nicht trainiert ist. Gerade junge Pferde neigen dazu durch Anspannung aller Rückenmuskel den Rücken fest und damit vermeintlich tragfähiger zu machen. Da der Muskel aufgrund der ungewohnten Belastung bald stark zu schmerzen beginnt, lassen die Pferde den Rücken wieder los und der Reiter wird von der Wirbelsäule getragen. Dem kann man bei einem Pferd, das noch nicht trainiert genug ist um sich selbst zu tragen, nur durch Reiten in Dehnungshaltung entgegen wirken.
Korrektes Reiten in Dehnungshaltung bedeutet, dass das Pferd den Hals aus der Schulter heraus fallen lässt, denn ausschließlich dann kommt es zur erwünschten Spannung im Nackenband und damit zurAufwölbung des Rückens und der Dehnung der langen Rückenmuskulatur. Dieser positive Effekt wird nicht erreicht, wenn das Pferd nur im Genick eng gemacht wird, aber den Hals nicht strecken darf. Gerade dabei besteht wieder die Gefahr, dass es den Rücken fest macht.
Nicht jede Lektion im Pferdesport kann aus der Dehnungshaltung
heraus geritten werden. Höhere Dressurlektionen oder spezielle Gänge, wie zum Beispiel der Tölt erfordern eine relative Aufrichtung. Dazu ist der Aufbau von bestimmten Muskelgruppen
nötig.
Wenn wir hier von Muskelaufbau sprechen, so ist dabei nicht nur
die Rückenmuskulatur gemeint. Bekanntermaßen ist diese nicht dazu da den Reiter zu tragen, sondern sie soll locker schwingen können, um den Schub der Hinterhand von hinten nach vorne zu
übertragen.
Die relative Aufrichtung ist nur möglich, wenn das Pferd sich mit Hilfe einer gut ausgebildeten Nacken- und Halsmuskulatur selbst tragen kann. Mit deren Unterstützung kann es den Nackenstrang spannen und den Rücken in seiner natürlichen Haltung tragen, ohne dabei die Rückenmuskulatur anzuspannen. Die Lendenwirbelsäule muss zusätzlich noch von einer gut trainierten Kruppen- und Bauchmuskulatur unterstützt werden. Nimmt ein Pferd nun seine Muskeln am Nacken und Oberhals zum Tragen in Anspruch und entwickelt dabei noch den erforderlichen Schwung von hinten, dann gelangt es ganz von selbst in eine relative Aufrichtung. Nun kann man sagen, dass das Pferd sich selbst trägt. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg und viele Pferde erreichen leider nie den Zustand eines losgelassenen Rückens.
Ein richtig gearbeiteter Muskel, der losgelassen seine Arbeit
leistet ist, in einem ständigen Wechsel von Anspannung und Entspannung. Dabei wird er optimal durchblutet, wodurch die notwendige Versorgung mit Sauerstoff und die Entsorgung von
Stoffwechselprodukten gewährleistet werden. Ein gut durchbluteter Muskel kann durch diese optimale Ernährung Muskelfasern aufbauen und er nimmt sichtbar an Volumen zu. Ein physiologisch nicht
richtiger arbeitender Muskel, der in einer Daueranspannung steht, wird nicht ausreichend ernährt und bildet sich als Folge dessen zurück.
Das physiologisch korrektgerittene Pferd erkennt man daher an einer kräftigen, aber auch lockeren Muskulatur. Der lange Rückenmuskel füllt die Mulde oberhalb der Rippen aus, so dass die Dornfortsätze nicht knochig nach oben sichtbar hervorstehen. Beim Freilaufen schwingt der Muskel taktmäßig mit und er ist selbstverständlich auf keinen Fall druckempfindlich. Die Nackenmuskulatur ist deutlich ausgeprägt und die obere Halsmuskulatur füllt das Dreieck zwischen Halswirbeln und Mähnenkamm aus, das bedeutet, dass vor dem Schulterblatt keine deutliche Mulde sichtbar ist. Im Gegensatz dazu wirkt der Unterhals deutlich schmäler. Die Kruppe ist nicht eingefallen, sondern schön bemuskelt und von runder Form.
Es gibt selbstverständlich noch weitere Aspekte, die zu beachten
sind, wenn man ein Reitpferd möglichst lange bei guter Gesundheit erhalten möchte.
Der Sattel muss natürlich gut angepasst sein und sollte immer
wieder von einem Fachmann überprüft werden. Wichtig ist, dass die Kammerweite zum Widerrist des Pferdes passt. Der Schwerpunkt des Sattels muss mit dem des Pferdes übereinstimmen und gerade bei
Pferden mit relativ kurzem Rücken sollte darauf besonders geachtet werden, dass der Reiter nicht im Bereich der Lendenwirbelsäule zum Sitzen kommt.
Des weiteren sollte das Pferd optimal bemuskelt sein, um die vom Reiter erwünschten Leistungen zu erbringen, wozu allerdings ein kontinuierliches Training notwendig ist. Daher kann ein Pferd selbstverständlich nach längeren Trainingspausen, beispielweise verletzungsbedingt oder wegen der Winterpause bei Offenstallhaltung, nicht sofort wieder die Leistungen zeigen, die vor der Pause erzielt wurden. Vorher muss die Muskulatur, die während der Ruhephase abgebaut wurde, durch langsames Training wieder aufgebaut werden. Das A und O einer harmonischen und erfolgreichen Arbeit zwischen Pferd und Reiter ist unter anderem eine optimale Bemuskelung zur Unterstützung des Rückens und der Wirbelsäule. Diese ist allerdings nur durch konsequentes, aber auch langsames Training zu erreichen.